Hier in meinem Hotel in New York habe ich einen neuen Lieblingsfernsehsender. MNN - Manhatten Neigbourhood Network. In der ersten Sendung, in die ich zufällig reinzappe, verbreitet ein junger Mensch mit dem Aussehen eines Murnaz Kurnau politische Statements, die von einer neben ihm sitzenden jungen Frau in spanisch übersetzt werden. Ab und zu werden Zwischenfragen aus dem - nicht sichtbaren - Publikum gestellt. Die Aufnahmen wirken laienmässig und die Kamera wackelt schon mal. Der Mensch informiert das Publikum darüber, dass sie alle in einem Polizeistaat leben, der jegliche Freiheit und individuelle persönliche Entfaltung unterdrückt. Wegen des herrschenden ökonomischen Systems und der daraus resultierenden Macht des Geldes ist jede Wahl manipuliert. In diesem Stil geht es eine ganze Zeit lang weiter. Das herrschende System muss überwunden werden etc etc ... bla bla bla. Zum Schluss seiner Ausführungen erwähnt er auf eine Frage aus dem Publikum stolz, er sei Marxist-Leninist.
Nach diesem ganzen Sermon aus der Mottenkiste der Arbeiterbewegung spricht ein weiterer Genosse aus dem Studio eine Abmoderation vor den Konterfeis eines jungen Fidel Castro und - natürlich - des Helden aller Stalinisten und Sozialromantiker. Daneben eine Flagge Kubas. Der Moderator ist gekleidet wie die Karikatur eines Intellektuellen, der einen auf Verbrüderung mir der Arbeiterklasse macht. Legere Joppe, kariertes Hemd mit Krawatte und als Krönung eine Schiebermütze, das Insignum der Solidarität mit dem Proletariat. Faszinierend. So sah ein Arbeiter um die vorletzte Jahrhundertwende herum aus. Genau so antiquiert sind auch die Ideen, Analysen und Ausführungen der selbsternannten Vorhut der Revolution.
Als krönender Abschluss der Sendung dann noch etwas Kultur. Ein 'Video' mit nichtssagender Musik zu Bildern einer tristen, grauen und trostlosen Stadt - in den Augen der Macher wohl die Inkarnation des sozialistischen Paradieses.
An dieser Stelle möchte ich aus gegebenem Anlass das erste Mal mich selbst - aus einem älteren Blogeintrag - zitieren:
So, und jetzt soll mir bloss keiner mehr kommen mit einseitigen und
gleichgeschalteten Medien in den USA. Derjenige soll erst einmal
mehrere Wochen kreuz und quer durch die USA reisen, sich permanent die
verschiedensten (!) Radio- und Fernsehprogramme reinziehen - dann darf
er mit mir diskutieren. Ansonsten - Klappe halten!
Im nächsten Beitrag wird eine nur aus Frauen bestehende Organisation mit dem schönen Namen Delta Sigma Theta Sonority vorgestellt, die eine 'Rallye against Police Brutality' organisiert hat. Ich kann mir nicht helfen, aber alles was über Versammlungen und Aktionen dieser Vereinigung gezeigt wird, macht auf mich den Eindruck einer christlichen Sekte. Gemeinsames Singen, eine Einpeitscherin gibt Slogans vor, die alle anderen nachschreien bzw. -singen. Ich will jedoch eingestehen, dass ich evtl. die haitianische Mentalität falsch interpretiere (die Gründerin und wohl die meisten Mitglieder stammen aus Haiti).
In einem späteren Beitrag wird eine obskure Stripshow gezeigt, mit total verwackelter Handkamera zu primitivstem Technosound mit unterirdischer Soundqualität.
Also die optimale Mischung für einen gelungenen Fernsehabend!
Currently playing in the background: Rocio Durcal - Amor Eterno