Eigentlich sollte es mir inzwischen egal sein. Ist es aber nicht.
Also: Ich gehe durch Augsburg spazieren. Eine schöne Stadt, kalte, klare Luft. Mir geht es gut, ich bin ausgeglichen, fast mit mir im Reinen. So wie schon lange nicht mehr. Dann gehe ich in ein schönes, modernes und gleichzeitig gemütliches Cafe. Durch die grossen Fenster, die viel Helligkeit hereinlassen, habe ich einen Ausblick auf eine schöne, alte Kirche mit verwitterten Heiligenfiguren. Getränke- und Essensauswahl ist ansprechend. Im Hintergrund dezente, loungige Musik. So weit alles bestens.
Dann mache ich einen "Fehler". ich schaue in ein hier ausliegendes Augsburger Kulturblättchen. Eigentlich interessiert mich die Ankündigung der demnächst hier im Ort stattfindenden Ausstellung des Bildhauers Werner Pokorny.
Dann fällt mein Blick auf die in solchen Blättchen obligatorische Kolumne, in der irgendein Redakteur meint, seinen Sermon zu irgendwelchen gesellschaftlichen, politischen oder sozialen Themen unters Volk bringen zu müssen. Und wie fast ausschliesslich, ist der Inhalt oberflächlich, tendenziös, diskriminierend, ohne fundierte Argumentation. Eigentlich typisch für Künstler und Kulturschaffende, wenn sie sich zu wichtigen politischen Themen äussern. Und nicht untypisch für den momentan - vor allem im grössten Teil der bundesrepublikanischen Medienlandschaft herrschenden - Zeitgeist.
Ok, worum ging es? Natürlich um ein Thema, das prädestiniert ist für Vorurteile, Unterstellungen, Diskriminierungen. Ich zitiere hier einfach mal aus dem einleitenden Absatz:
"Auf der einen Seite stehen prominente Israelkritiker wie Thilo Sarrazin, Necla Kelec oder Ralph Giordano. Ihre Bucherlöse gehen in die Millionen. Wirtschaftliche Interessen lassen sich bei diesen Dimensionen nicht mehrwirklich von inhaltlichen Positionen trennen. Dieser Klientel stehen Autoren gegnüber wie Ahmet Toprak, dessen Buch über zwangsverheiratete Männer zuletzt für Schlagzeilen sorgte, oder eben Patrick Bahners."
"Wirtschaftliche Interessen lassen sich bei diesen Dimensionen nicht mehr wirklich von inhaltlichen Positionen trennen." Ohne jeglichen weiteren Zusammenhang oder Beleg wird so schon einmal eindeutig klargemacht, wer der Gute ist und wer die Bösen sind. Das ist typisch - wer Millionen verdient - ist schon einmal per se suspekt (des weiteren wage ich zu bezweifeln, dass die Erlöse(!) bei allen genannten Autoren in die Millionen gehen).
An dieser Stelle wollte ich eigentlich gar nicht mehr weiterlesen. Denn man weiss zu gut, wie oberflächlich und ideologiebehaftet, abseits von Fakten, es weitergeht. Ich habe es dennoch gemacht. Selber schuld.
Ich habe sowieso noch nie verstanden, warum Künstler und Kulturschaffende relativ breites Gehör in Bezug auf Ihre Meinungen und Einschätzungen zu brennenden politischen und sozialen Themen erhalten. Was prädestiniert sie dazu, fachlich kompetent zu sein? Na ja, zum Glück gibt es auch Ausnahmen, z.B. einer meiner Lieblingsschauspieler hat sich den grössten Teil seines Lebens politisch demjenigen Lager zugerechnet, das auch mir am nächsten steht. Der grosse Dennis Hopper. RIP.
Mit diesem Gedanken rege ich mich langsam wieder ab. Unterstützend kommt hinzu, dass Essen und Trinken hier im Cafe ausgezeichnet sind. Es wird langsam dunkel und die clever gemachte indirekte Beleuchtung sowie die Kerzen verbreiten eine äusserst angenehme Atmosphäre.
Und jetzt wende ich mich - in politischer Hinsicht - fundierten, analytisch reflektierten Einschätzungen zu. Meiner derzeitigen, äusserst interessanten, erhellenden Lektüre: