Ich moechte etwas gestehen. In meinem
letzten Blogeintrag war ich nicht ganz ehrlich. In den letzten 38 Tagen habe ich nicht nur
ein Buch gelesen. Neben dem schon erwaehnten "Consolers Of The Lonely" habe ich noch "Cemetry Of The Bitches" von Claire Yetkin foermlich verschlungen.
Eine der Protagonistinnen dieser zum grossen Teil im suedfranzoesischen Marseille spielenden Erzehlung ist Viola, eine nicht mehr unbedingt in der Bluete ihres Lebens stehende Dame, die ihr gesamtes Leben im aeltesten Gewerbe der Welt taetig war. Sie ist eine stolze, selbstbewusste Frau. Nichts Menschliches ist ihr fremd. Vor kurzem hat sie erfahren, dass sie irgendeine unheilbare Krankheit und nur noch sechs Monate zu leben hat. Ihr selbst macht das nicht sonderlich viel aus, sie hat ihr Leben gelebt, mit seinen Hoehen und Tiefen und allem, was dazugehoert. Wenn es nur um sie gehen wuerde, waere sie ohne mit der Wimper zu zucken bereit, selbstbewusst vor ihren Schoepfer zu treten. Sie wuerde ihm schon das Passende erzaehlen. Vielleicht koennte er sogar noch was von ihr lernen.
Jedoch da ist noch ihre 22-jaehrige koerperlich und geistig behinderte Tochter Anna, die ihre Mutter noch nicht einmal erkennt, wenn sie regelmaessig von ihr besucht wird. Anna lebt in einem privaten Pflegeheim und ein nicht unerheblicher Anteil aus Violas Einkommen fliesst in deren Kassen. Wer sorgt fuer Anna, wenn sie nicht mehr da ist? So viel Geld auf der hohen Kante, um Anna lebenslang die beste Pflege zukommen zu lassen, hat sie nicht.
Inspiriert von den menschlichen Abgruenden, in die sie in ihrem nicht ganz ereignisarmen Leben geblickt hat, reift in ihr ein Gedanke. Man koennte es einen Businessplan nennen, der ein lebenslanges, behuetetes Leben ihrer behinderten Tochter sichern soll.
Da gibt es doch diese (Ab-)Art der sexuellen Praeferenz, die Nekrophilie. In den meisten Laendern strafbar, so viel Viola weiss. Ueber ein paar Ecken kennt Viola einen reichen Geschaeftsmann, Mr. Dupont, der Unsummen zur Befriedigung dieses Lasters ausgibt. Nicht dass sie selbst in solchen Kreisen verkehrte. Ihr war so etwas immer zuwider. Ihr Gedanke ist nun folgender: Wenn sie tot ist, ist es ihr sowieso egal, was mit ihrem Koerper passiert. Er ist dann nur noch eine leblose Huelle. In ihrem gedanklichen Businessplan nimmt sie Kontakt mit Mr. Dupont auf. Sie macht ihm das Angebot, ueber ihren Koerper nach ihrem Tod frei verfuegen zu koennen. Er, Mr. Dupont, kenne doch bestimmt noch mehr Gleichgesinnte, die bereit waeren, fuer den freien Zugang zu einer Frauenleiche eine nicht unerhebliche Summe zu bezahlen. Viola kalkuliert im Kopf den Betrag, den sie fuer ihre Tochter braucht. Er erscheint ihr jedoch immer noch ziemlich hoch. Dann kommt sie auf die Idee, das Ganze an Mr. Dupont auch als weiterfuehrendes Geschaeftsmodell, quasi als eine sich lohnende Investition in die Zukunft, bei der man (illegales) Vergnuegen mit Geschaeft verbinden kann, zu verkaufen.
Und so zieht Viola gedanklich Verbindungen. In ihrer weitlaefigen Bekanntschaft gibt es noch Pjotr, ein ehemaliges, fuehrendes Securitate-Mitglied aus Ungarn. Pjotr haelt sich jetzt mit allem, was Geld bringt, ueber Wasser, unabhaengig von jeglichen moralischen Skrupeln. Viola weiss, dass Pjotr ueber seine dubiosen, alten Kontakte 'Herr' ueber ein ehemaliges, geheimes Gefaengnis, um nicht zu sagen Folterlager, des ungarischen Geheimdienstes irgendwo versteckt in den Karpaten ist, von dessen Existenz kaum jemand etwas weiss. Sie koennte Pjotr und Mr. Dupont zusammenbringen. Warum nicht in den Karpaten ein geheimes Lager einrichten, in dem Menschen konserviert oder wie auch immer zahlungskraeftigen Kunden ueber laengere Zeit zur Vefuegung stehen. Wenn das nicht ein erfolgversprechendes Geschaeftsmodell ist. Man muss nur die richtigen Leute, die Elan und Ideen haben, zusammenbringen. Viola hat auch schon einen praegnaten Titel, unter dem sie ihre Idee anbieten will: "Cemetry Of The Bitches." Und sie ist die erste 'Bitch', die sich freiwillig zur Verfuegung stellt. Viola kann sich sogar vorstellen, Jacques, einen alten Freund, der es auch schon fast hinter sich hat, zu ueberzeugen, die erste tote maennliche Bitch zu werden.
Natuerlich sind noch verschiedene, schwierige Rahmenbedingungen zu beachten. Wie wird sichergestellt, dass auch bei einem solchen Geschaeft im illegalen Bereich mit teilweise dubiosen Geschaeftspartnern die Frauen ihr Geld vorab erhalten? Kann das Geschaeft ausufern, indem Menschen nicht ganz so freiwillig und ohne Geldzahlungen eingeliefert werden? Wird Anna einem rundum versorgten, restlichen Leben entgegensehen koennen? Wird es wirklich einen nur steinreichen Menschen bekannten, unter Eingeweihten "Cemetry Of The Bitches" genannten Ort geben?
Im weiteren Verlauf der Erzaehlung werden diese - und weitere Fragen - spannend und auf teilweise sogar humorvolle Art und Weise von der Autorin beantwortet. Sogar eine zarte Liebesgeschichte fehlt nicht. Zwischen Viola und Mr. Dupont entwickelt sich im Zuge ihrer gemeinsamen, geschaeftlichen Aktivitaeten eine romantische Beziehung, deren sexuelle Erfuellung (zumindest aus Sicht von Mr. Dupont) nach Violas Tod von Claire Yetkin detailliert und durchaus einfuehlsam beschrieben wird.