In Yucca Valley nahe des Joshua Tree National Parks geht vom Highway 62 rechts eine kleine Strasse ab hoch in die Berge. Nach 4 km erreicht man Pioneertown. Direkt am Ortseingang liegt Pappy's and Harriets Pioneertown Palace, der Veranstaltungsort des 3-tägigen Festivals. Da die Black Angels erst morgen abend spielen und ich noch keine Lust auf laute Musik habe, setze ich mich erst einmal ins Canyon Water Café direkt an der Junction zum Highway 62. Und wieder einmal habe ich sofort ein Café mit Free WiFi gefunden, in dem ich mich wohl fühle und Tage verbringen könnte.
Das sind übrigens nicht(!) Carey und Gisela, sondern 2 weitere Gäste im Water Canyon Café in Yucca Valley, CA
Carey vom Nebentisch kommt mit seinem Computer nicht klar und fragt mich um Rat. Er kann eigentlich nur einige Webseiten aufrufen und weiss sonst nichts. Ich installiere ihm die iTunes Software, registriere seinen neu gekauften iPod online, spiele ihm eine CD von NIN auf und zeige ihm noch, wie er an seinen E-mail Account kommt. Carey ist ein schrulliger Kauz und Seele von Mensch. Er geht mit einer kindlichen, positiven Unschuld durchs Leben und ist ein Mensch, dem eigentlich keine Fliege etwas zu Leide tun kann. Bei der iTunes-Installation rückt er bereitwillig seine Kreditkarteninformationen und Passwörter heraus ohne etwas Böses dabei zu denken. Als Dank will er mir 20 $ geben, die ich natürlich nicht annehme. Carey arbeitet nebenan in der Autowaschanlage, jedoch das Geschäft gehe im Moment sehr schlecht, wegen der Krise etc. Er lebt seit 10 Jahren in seinem Auto, einem Pick Up, dessen Ladefläche er zu seinem Schlafplatz umgebaut hat. Da es hier jetzt schon nachts empfindlich kalt ist und im Winter noch viel kälter wird, hat er sich, gespeist von Sonnenkollektoren und vier Batterien, eine Heizung gebaut (wenn ich das richtig verstanden habe). Meistens übernachtet er abseits der Strasse, die hinauf nach Pioneertown führt, mitten in der Natur.
Gisela an einem anderen Nebentisch ist eine ältere Psychologin, die im Nachbarort wohnt. Sie ist froh, mit mir wieder einmal Deutsch sprechen zu können. Ihr Vater war Perser und ihre Mutter Deutsche und sie ist in Persien und Deutschland aufgewachsen. Für mich ist es schwierig, sich wieder auf Deutsch umzustellen. Das Englische geht mir viel flüssiger von den Lippen und ich falle immer wieder in diese - meine eigentliche Heimatsprache - zurück. Sie wollte gerade im Restaurant von Harriets Pioneertown Palace zu Abend essen und da heute abend sowieso die Black Angels spielen und ich eine Grundlage für meinen zu erwartenden Alkoholkonsum brauche, fahren wir zusammen. Ich esse ein superleckeres Riesensteak und fange an, Rotwein zu trinken. Gisela entspricht genau dem Klischee der esoterisch angehauchten Psychologin. Hier ein bisschen buddhistische Meditation, da ein Guru in einem indischen Ashram, zwischendurch eine indianische Schwitzhütte. Den Rest habe ich vergessen. Dann bezeichnet sie sich noch stolz als jemand, der nicht nur Verschwörungstheorien übernimmt, sondern selbst kreiert. 9/11 wurde natürlich von Bush und CIA initiiert und Bush ist sowieso mindestens genauso schlimm wie Hitler. Spätestens jetzt habe ich keine Lust mehr auf immer denselben Quatsch. Unterstützt vom Rotwein, beschliesse ich, einmal ganz offen bis ins Detail - natürlich durchaus freundlich - meine wirkliche Meinung zu Gott und der Welt rauszulassen. Ich sage also, dass es ncht unbedingt zur eigenen Entwicklung beiträgt, wenn man sich eklektisch auf alle möglichen Heilsangebote einlässt. Diese Angebote müssen für sich gesehen nicht unbedingt schlecht oder falsch für den jeweiligen Menschen sein, jedoch arbeiten die einzelnen Richtungen mit unterschiedlichen Methoden und Energien, die, gleichzeitig praktiziert, in Körper und Geist Verwirrung hervorrufen können. Daher würde ich schon seit 15 Jahren bei meiner Richtung, dem Tibetischen Buddhismus, bleiben, der für mich alles enthält, was ich für die Entwicklung meines Geistes brauche.
Dann erzähle ich ihr, dass ich bei der letzten Wahl George W. Bush gewählt hätte und froh bin, dass wenigstens eine Grossmacht auf dieser unserer Erde (die wir nur von unseren Kindern geborgt haben...) existiert, die den Bedrohungen des internationalen Terrorismus gegenüber Stärke zeigt und dass hingegen die feigen Europäer, die immer nur reden, aber keine Eier haben, von wirklich gefährlichen Präsidenten, die den internationalen Terrorismus unterstützen und an einem Nachbarland einen zweiten Holocaust vollziehen wollen (und den ersten leugnen), als kläffende Hunde, die bellen, jedoch nicht beissen, verachtet werden. Gisela kann es gar nicht fassen, dass ich als Buddhist so eine Meinung haben kann. Sie glaubte am Anfang natürlich, da ich meditiere, einen Gesinnungsgenossen gefunden zu haben.
Ich komme jetzt richtig in Fahrt und komme auf die neuesten Erkenntnisse der Quantenphysik z.B. die Nichtlokalität von kleinsten Teilchen betreffend - und dass sie eigentlich erst dann einen festen Zustand annehmen, wenn wir sie beobachten und messen - zu sprechen, dass also die moderne Wissenschaft sich den jahrtausendealten Erkenntnissen der höchsten buddhistischen und hunduistischen Schulen (Form ist Leerheit - Leerheit ist Form) immer mehr annähert und sich Aussagen von bestimmten Physikern und hohen buddhistischen bzw. hinduistischen Lehrern die letztendliche Realität der uns umgebenden Welt betreffend (die wir durch unsere Beobachtung, also unseren Geist erst selbst kreieren) immer mehr angleichen. Selbst Einstein (im Gegensatz zu Niels Bohr) wollte diesen letzten Schritt nicht gehen und hielt sich immer noch die Möglichkeit einer verborgenen Variablen offen. (Gott würfelt nicht). Schamanismus sowie Naturreligionen wie die der Indianer würden diesen letzten Schritt der Infragestellung der Realität unserer Welt und unseres Egos nicht gehen und daher führe dieser Weg nicht zur letztendlichen Erkenntnis. Gisela vertritt dem gegenüber nämlich die weitverbreitete, irrige, undifferenzierte Sichtweise, dass alles irgendwie dasselbe ist, Buddha und Jesus und Shiva und irgendein Schamanengott.
Ich will Gisela nicht missionieren und sie ist ja eine nette Person, mir macht es jedoch in diesem Moment (nicht zuletzt beflügelt durch den nicht geringen Rotweinkonsum meinerseits) einfach Spass, ihre Konzepte zu sprengen und mich intellektuell auseinanderzusetzen - obwohl es eigentlich gar keine Auseinandersetzung ist, da sie meinen Ausführungen nichts entgegensetzt (entgegensetzen kann?). Wir kommen also wieder auf belanglose Themen zu sprechen und ich bin froh, dass gleich die Black Angels anfangen zu spielen und dadurch das Gespräch beendet wird.
Currently playing in the background: Butthole Surfers - American Woman
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