Selbsternannte Weltenretter und konservative Öko-Spiesser werden morgen auf den schönen Bonner Rheinauen unter sich sein. Thomas Deichmann, Chefredakteur des Debattenmagazins „Novo – Argumente für den Fortschritt“ hat die passenden Worte dazu:
Am Pfingstwochenende 2008 versammelt sich die internationale Korona der
Apokalypsenprofis – dieses Mal in Bonn. Zum Auftakt der neunten
Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische
Vielfalt hat man für Pfingstmontag zu einer Demonstration aufgerufen.
Anschließend steigt das „Pfingstfestival der Vielfalt“ in den Rheinauen
und die Konferenz mit dem hippen Titel „Planet Diversity“. Die
Organisatoren wollen Lieder für eine „Genfreie Welt“ singen und gegen
die „industrielle Monokulturen“, „Agrar-Sprit“ und
„Billigfleisch-Subventionen“, gegen „Gentechnikkonzerne“ und
„Spekulationen an den Weltagrar-Börsen“ protestieren – und was einem
durchschnittlichen Öko-Misanthropen sonst noch so einfällt. Solche NGOs sind wahrlich nicht Teil der Lösung, sondern Teil des
Problems auch in der aktuellen Nahrungskrise. Ihre Positionen tragen
nicht zur Ertragssteigerung und erst recht nicht zur
Ernährungssicherheit bei.
(...)
Offenbar versuchen einige grüne NGOs mit dem Elend, das sie selbst mit
verursachen, wieder einmal ihr Süppchen zu kochen. Erst 2002 mussten
Tausende Afrikaner verhungern, weil sich einige Regierungen im Süden
des Kontinents während der letzten schlimmen Hungerkatastrophe dazu
überreden ließen, auf US-Hilfslieferungen zu verzichten, weil sich
darin auch zugelassene transgene Maispartien befanden, die von
Millionen von Amerikanern anstandslos verzehrt werden.
(...)
Die letzten Wochen waren typisch für diese schleichende Verwesung
unseres Kulturraumes: Die Paranoia gegen die modernen
Pflanzenwissenschaften hat dazu geführt, dass Besetzungen und
Zerstörungen von Versuchsfeldern der Grünen Gentechnik dieses Jahr
wieder Rekordmaße annehmen – eine „Feldbefreierin in der Genbank
Gatersleben” wird auf der Kundgebung davon Heroisches zu berichten
wissen. Etliche Landwirte sind von ihrem Vorhaben, modernes Saatgut
auszubringen, wieder abgebracht worden. An der Fachhochschule Nürtingen
ist zum ersten Mal ein Forschungsprojekt auf Geheiß der
Hochschulleitung untersagt worden, weil ein paar jugendliche
Feldbesetzer das gerne so wollten. In Hessen hat der Umweltausschuss
einem Antrag der Grünen zugestimmt, den Anbau transgener Pflanzen im
Land komplett zu verhindern – zuvor waren bereits an drei Standorten
Testanbauten abgeblasen worden. Der Freistaat Bayern gab indes bekannt,
die diesjährigen Landessortenversuche für die Zulassung von Mais mit
einer gentechnisch erzeugten Schädlingsresistenz gänzlich aufzugeben.
Der bayerische Landwirtschaftsminister Miller will auf wundersame Weise
herausgefunden haben, „dass Bt-Mais keine Vorteile gegenüber
konventionellen Sorten“ habe – was in etwa dem gleichkommt, Millionen
von Landwirten, die seit Jahren die Bt-Technologie nutzen, die geistige
Zurechnungsfähigkeit abzusprechen.
(...)
Die Karawane der Fortschrittsmuffel zieht immer weiter.
Hier noch ein Highlight aus dem Programm des Pfingstfestivals der EinVielfalt:
Teil 3: Mögliche Konsequenzen
Input-Referat: Florianne Koechlin
Eine
Neuentdeckung der Pflanze aus wissenschaftlicher und ethischer
Perspektive soll auch zu konkreten Konsequenzen führen: Wie kann die
Würde der Pflanze respektiert werden? Haben Pflanzen Anspruchsrechte?
Eine
interdisziplinäre Gruppe mit ExpertInnen aus Landwirtschaft,
Naturwissenschaft, Philosophie und NGOs diskutierte in Basel zu diesem
Thema und stellte – vorläufige - Thesen und Anspruchsrechte auf.
Vorstellung und Diskussion.
Ziel des Workshops ist eine
vertiefte Diskussion zum neuen Pflanzenbild und erste strategische
Überlegungen zum heiklen Thema ‚Anspruchsrechte der Pflanze’.
Currently playing in the background: Pere Ubu - My Dark Ages
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