A-Musik in Köln ist der Plattenladen für obskure Importmaxis (wer mit den frühen Werken von Max Goldt vertraut ist, weiss, was ich meine). Gehört man nicht zur kleinen Schar von Eingeweihten und/oder Stammkunden, geht man in einen entsprechenden Laden am besten als 'Wissen und Coolness vortäuschender Indiefan, der jede Frage an den hinter'm Tresen stehenden, coolen und vor allem wissenden Verkäufer, im Kopf sorgfältig vorformuliert'. Wie z.B. Bela B. von den Ärzten, bevor er Wissender und Eingeweihter wurde. Oder man meidet diese Läden ganz, wenn man nicht immer so intensiv wahrgenommen werden möchte, wenn man einen solchen Laden betritt - wie z.B. Max Goldt. (Quelle).
Ich betrete den Laden also ganz cool und sage 'Hallo'. Natürlich wird mein Gruss nicht erwidert. Das kann ich auch nicht verlangen - ich gehöre ja nicht zu Wissenden und Eingeweihten. Das letzte mal war ich vor einigen Jahren hier (da war A-Musik - glaube ich - noch an einer anderen Location).
Heute passiert hier folgendes:
Ausgehend vom umfangreichen stilistischen Panoptikum der Laar’schen La Paloma Sammlung mit Hörschätzen von Dr. No bis Bald Head legen schulte&laar in alter und bester Tonträgeralleinunterhaltermanie
Die assoziativen Hörbilder bestehen aus La Paloma - Versionen, die sich mit irgendwelchen anderen obskuren Scheiben abwechseln, die ich nicht kenne - bis auf eine, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Ein Kampflied irgendeines Kommunistenbarden aus den 70ern des letzten Jahrhunderts. Er singt über die Partei (nein, diese ist nicht leider gemeint - selbst wenn sie damals schon existiert hätte) und schimpft auf Kapitalisten und Bonzen. Das muss einer aus der Gilde der Waderdegenhardtsüverkrüps sein, deren Scheiben ich - ich gestehe - damals auch gehört und sogar besessen habe. Das ist für mich jetzt aber doch schon grenzwertig. Zum Glück bleibt es bei dem einen Ausrutscher und die anderen Hörschätze, die aufgelegt werden, gefallen mir.
Ich durchstöbere das in erster Linie auf Haptiker zugeschnitte Angebot - Vinyl, Vinyl, Vinyl. Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, nach den vielen Downloads der letzten Jahre wieder die schwarzen Scheiben auszupacken und auf den Plattenteller zu legen, um sie anzuhören. Mindestens ein Stück Vinyl ist dabei, das ich mir früher gekauft hätte - von dem mir bis dato nicht bekannten Clutchy Hopkins. In einem Artikel wird er als 'Mojave Desert Beat Savant' bezeichnet, der keine Konzerte und Interviews gibt. Das gefällt mir.
Irgendwie tut es mir leid, dass der eigentlich sympathische Laden jetzt nichts an mir verdient, jedoch ich habe keine Lust, so eine Riesenvinylscheibe nebst Cover (auch eine CD ist schon zu viel) in meine Wohnung zu verfrachten. Da schaue ich lieber bei EMusic oder iTunes (nein, ich schaue nicht in die diversen freien Tauschbörsen - irgendwie mag ich die Einstellung nicht mehr, immer alles kostenlos bekommen zu wollen), ob ich die Musik nicht downloaden und auf meinem iPod überall ohne Aufwand mit mir herumtragen kann (neben tausenden anderer Songs). In dieser Hinsicht bin nun mal kein Haptiker. Wenn ich etwas anfassen möchte, gibt es genügend andere schöne Dinge.
Dann vertiefe ich mich noch einige Zeit in ein interessantes Buch über die Geschichte der Gruppe 'Die Tödliche Doris' - The Deadly Doris Art (zweispaltig in Deutsch und English gedruckt) - und meine Gedanken schweifen ab in die 80er des letzten Jahrhunderts, als ich diese Gruppe zum ersten Mal hörte. Für mich war 'Die Tödliche Doris' damals nie Kunst, sondern einfach nur geile Musik und Texte. Früher wusste ich kaum etwas über ihre Herkunft und Teilnahme an mehr oder weniger renommierten Kunstausstellungen. Kennenglernt habe ich sie wie so viel gute Musik zur damaligen Zeit durch Zufall (falls es denn Zufälle gibt - aber das ist ein anderes Thema). In einem Plattenladen in der Düsseldorfer Altstadt gab es eine (Vinyl-)Scheibe dieser Gruppe für - ich glaube - 1 oder 2 DM. Sie war so billig, da sich auf einer Seite über die ersten beiden Stücke ein tiefer, grosser Kratzer zog. Die Aufmachung des Covers und der Name der Gruppe zogen mich jedoch so in ihren Bann, dass ich sie trotzdem kaufte. Vom ersten Stück an ('Stümmel mir die Sprache') war ich hin und weg (trotz permanentem 'Knack' durch den tiefen Kratzer - aber irgendwie passte es auch). Musik und Text waren für mich wie eine Offenbarung. Als ich in meiner damaligen - sich in erster Linie durch Punk-Musik und - Attitüden auszeichnenden - Peer Group diese Scheibe zum ersten Mal zu Gehör brachte, schlug das ein wie eine mittelschwere Bombe - vor allem, da keiner mehr auch nur im Ansatz nüchtern war. Und festigte meinen Ruf als Spezialist für das Abartige und Abseitige.
Zu den als abartig bezeichneten Dingen gehörte z.B., dass ich mir meine schwarzgefärbten, hochtoupierten Haare (eher gruftig als punkig) herunterkämmte (bis halb über die Ohren - was natürlich total Scheisse aussah), mein zur damaligen Zeit immer durchgehend schwarzes Outfit gegen eine betont hässliche grüne Strickjacke mit Zopfmuster, einem farblich überhaupt nicht dazu passenden Hemd und eine ebenso hässliche Hose mit Hochwasser eintauschte, allein in die meinem damaligen Wohnort nächstgelegene bürgerliche Kneipe ging, eine Limonade bestellte und in der Musikbox Deutsche Schlager drückte. Und mich mit dem Wirt, der Wirtin und/oder den Gästen auf eine Art und Weise unterhielt, wie man es eben von einem Menschen in einer hässlichen grünen Strickjacke und der hässlichsten Hose des indischen Subkontinents (wieder ein Zitat aus alten Max Goldt Tagen) erwartet.
Mit diesem Outfit spazierte ich manchmal auch über die Ratinger Strasse in Düsseldorf, bewusst langsam an den dort damals immer abhängenden Punks vorbei, mit denen ich ansonsten abends und nachts nicht wenig Bier - und was man damals sonst noch so zu sich nahm - verkonsumierte und hörte mir die Kommentare hinter meinem Rücken an (Was ist das denn für einer...).
Aber zurück zu A-Musik. Schliesslich kaufe ich mir das - sehr empfehlenswerte - Buch über die 'Tödliche Doris' dann doch nicht (aufgeschoben ist nicht aufgehoben) und verlasse den Laden - ohne Abschiedsgruss, da die Herren hinter der Theke sehr busy sind und den Gruss ohnenhin nicht erwidert hätten.
Currently playing in the background: Die Tödliche Doris - Wie still es im Wald ist
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