Gestern hat es den ganzen Tag und die ganze Nacht geregnet. Und das war gut so, da konnte ich in Ruhe im Cafe sitzen, lesen und ein paar Programme herunterladen und installieren, die auf meinem Laptop noch fehlten. Für mein Abendprogramm musste ich mir dann aus dem reichhaltigen Kulturangebot hier in San Francisco (da kommt keine andere Stadt mit, die ich kenne) etwas auswählen. Ein Ausschnitt aus diesem genialen Video überzeugte mich, den OmniCircus zu besuchen.
Ich fahre also wieder mit dem Bus bis in die Gegend der 'Market Street' und stehe in einer kleinen Seitenstrasse vor einer unscheinbaren Tür ohne Hinweise darauf, was sich dahinter abspielt. Ich öffne die Tür und komme in eine Art Lagerhalle, vollgestopft mit skurrilen Dekorationen und Installationen. Frank Garvey, der Gründer des Theaters, nimmt alle Besucher persönlich in Empfang und überlässt es ihnnen selbst, welchen Betrag sie als Spende geben. Dafür bekommt man schon einmal zwei CDs mit Musik des OmniCircus. Alles ist sehr klein und intim - die Toilette wird gleichzeitig als Künstlergarderobe benutzt. Es sind max. 30 Sitzplätze für Zuschauer vorhanden und die sind an diesem Abend bei weitem nicht gefüllt.
Der rote Faden des Stückes ist ein Film der Gruppe, in dem ein Roboter durch die Stadt fährt und Passanten in aggressivem Ton um 50 Cent anbettelt. Dazu werden die Reaktionen und Einstellungen der Passanten z.B. vor der Opera oder dem Museum of Modern Art gefilmt. Zwischendurch gibt es Musik- und Sprecheinlagen des Ensembles. Leitthema ist der Tod und dass wir alle sterben müssen. Aber wir sollen uns trösten, denn auch unsere Feinde müssen einmal sterben.
Nach dem Ende der Aufführung trinkt und unterhält man sich dann ganz zwanglos mit den Künstlern. Ich erfahre, dass es im Durchschnitt pro Monat nur eine Vorstellung gibt, die kurz vorher im Internet angekündigt wird. Dann kommt das - für mich - Beeindruckendste an diesem Abend. Alex Iverson, ein - lt. Visitenkarte - 'Philantromagician & Perception Technician' und Freund des Ensembles, führt Zaubertricks vor. Zuerst einige Kartentricks, die auch schon sehr beeindruckend sind. Dann nimmt er meine Führerschein - ID und legt sie auf meine Hand. Wenn ich mit der Hand über die Karte fahre, ohne sie zu berühren, bewegt sie sich entsprechend und wippt auch auf und nieder. Dann nimmt er die ID und wirft sie in die Luft. Sie beginnt sich wie ein Propellor um die eigene Achse zu drehen und fliegt gleichzeitig im Kreis um seinen Körper. Ich stehe nur zwei Schritte daneben und kann es nicht fassen und natürlich auch den Trick nicht ergründen.
Alex ist zudem ein äusserst interessanter und netter Mensch. Er erzählt, dass der Trick schon 50 Jahre alt ist, die meisten Magier ihn jedoch nicht oder nicht gern vorführen, da das Publikum ihn dann immer wieder sehen will und sie davon nicht loskommen. So habe ich das zumindest verstanden. Auf seiner My Space Seite sind unter seinen Lieblingsfilmen einige Titel aufgeführt, die in Deutschland kaum jemand kennt und auch zu meinen Favoriten zählen: What the Bleep do we know, Powder und Altered States. Letzterer ist bei uns unter dem bescheuerten Titel 'Der Höllentrip' herausgekommen. Ausserdem schreibt er gerade ein philosophisches Buch, das er z.Zt. in seinem Weblog auf My Space verbreitet. Auf seiner Visitenkarte ist ein Zitat von Einstein aufgedruckt:
To raise new questions, new possibilities, to regard old problems from a new angle, requires creative imagination and marks real advance in science.
Currently playing in the background: Lou Reed - Street Hassle Medley
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